X-Days in London – Welches Verbrechen hat Julian Assange begangen?

BILD: Antje, 20.02.2024 – London: The Royal Courts of Justice, „Niemand sollte für die Veröffentlichung der Wahrheit im Gefängnis sitzen.“

Free Assange Cottbus
Free Assange Cottbus

Ein Gastbeitrag von Antje für Free Assange Cottbus aus London

Vom 20. bis 21. Februar 2024 fand in London die aller letzte Anhörung auf britischem Boden im Fall Julian Assange statt. Während im Inneren des Royal Courts of Justice die besten britischen Anwälte mit den besten Argumenten für die sofortige Freilassung von Julian Assange kämpften, bzw. erstmal um die Zulassung der Berufung, kämpften die US-amerikanischen Anwälte um die sofortige Auslieferung in die USA, wo er nach dem Espionage Gesetz von 1917 zu 175 Jahren Knast verurteilt werden soll, also das Weiterbestehen des Urteils von Januar 2021. Wenn sich Zwei streiten, freut sich der Dritte, und das ist in diesem Fall der Tod.

Julian Assange geht es sehr schlecht im Hochsicherheitsgefängnis von HPM (His Majestic Prison) Belmarsh. So schlecht, dass seine Anklagebank in der furchteinflößenden Oldscool-Eisenstab-Gitterzelle beide Tage leer bleiben musste.

Diese altehrwürdigen Mauern erschüttert nichts mehr!!! Kein Justizskandal der Welt, kein Bitten der Angeklagten, kein Schluchzen der Angehörigen. „Wenn die Wahrheit im Gefängnis sitzt, werden wir von der Lüge regiert.“

Der Fall Julian Assange ist der Fall der Maske von der freiheitlich-westlichen „Werte“-Demokratie. Während Yulia Nawalnaja den Tod ihres Gatten öffentlichkeitswirksam auf der Münchner Sicherheitskonferenz vermarkten kann, wird Stella Assanges‘ Social-Media-Kanal für die wichtigen 4 Tage des Verfahrens gesperrt.

Während alle öffentlich-rechtlichen Sender Sondersendungen über einen ungeklärten Todesfall im russischen Gefängnis ansetzen, wird das Schicksal von Julian Assange fast totgeschwiegen. Ich bilde mir ein, dass nur durch den Druck aus den Alternativmedien und vielen kleinen öffentlich-wirksamen Aktionen weltweit der Druck auf die großen Medienhäuser so stark geworden ist, dass sie nicht Nichts sagen/schreiben konnten.

Uns hat das Team von Stella Assange für die X-Days, die Alles-oder-Nichts-Tage für ihren Mann, zusammengetrommelt, um möglichst zahlreich auf der kleinen Halbinsel vor dem Royal Court in London Gesicht zu zeigen. Ich bin dankbar für den „Anschubser“ und ich würde alles dafür geben, dass Julian Assange freikommt. Meine Motivation war und ist die Hoffnung, dass die Gerechtigkeit siegt, so wie es uns von kleinauf in den Märchen versprochen wurde. Die Helden – in dem Fall Julian und seine Familie – müssen viele Prüfungen auf Leben und Tod bestehen, müssen Hinterlist und Tücke erkennen und letztlich leben sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

Was hat Julian Assange verbrochen, dass er so büßen muss? Wer streut Lügen unter’s Volk, von wegen, er sei ein Vergewaltiger und Macho? Wer will, dass er für immer schweigt? Was ist an seinem Fall so besonders? Wie wird man zum Whistleblower?

Wer sich diese Fragen stellt, bekundet zumindest schon mal verhaltenes Interesse. Dem kann ich das Buch „Der Fall Julian Assange“ vom UN-Sonderberichterstatter für die Einhaltung des Folter- und  Misshandlungsverbots, dem Schweizer Anwalt Prof. Dr. Nils Melzer,  empfehlen.

Julian Assange ist kein Whistleblower,  hat aber mit Wikileaks eine Plattform gegründet bzw. die Software programmiert, womit Menschen, die Ungereimtheiten, schlimmstenfalls Verbrechen und andere Schweinereien in ihrem Umkreis, meist auf Arbeit, feststellen, die auch immer die Allgemeinheit betreffen, an die Öffentlichkeit bringen können. Trotz des Wegsperrens von Assange hat die Plattform nie ihre Tätigkeit eingestellt. Die Welt braucht „Alarmsignalpfeifer“, wie Whistleblower auf Deutsch heissen. Sie zeigen Missstände an, im Fall von Assange, der die geleakten Daten von Chelsea Manning nur veröffentlichte, sogar Folter- und Kriegsverbrechen. Der viertelstündige Videomitschnitt der Bordkameras von 2 US-Apache-Hubschraubern und den menschenverachtenden Kommentaren der Bordschützen beim Abschießen einer unbewaffneten Gruppe von Menschen (darunter 2 Reuters-Journalisten) im Irak-Krieg, das unter dem Titel „Collateral Murder“ auf youtube zu finden war, war auch einst mein „Erstkontakt“ zu damals noch Bradley Manning und Wikileaks.

Seitdem hat sich die Welt mit „schreienden Ungerechtigkeiten“ vervielfacht. Dank Internet und Social Media verbreitet sich die Kunde auch bei Nicht-Internettüchtigen. Und erstaunlicherweise ploppen immer wieder Menschen auf, die das Rückgrat haben, ihr Gewissen zu erleichtern, egal welche Konsequenzen ihnen drohen. Vielmehr, sie rechnen erst gar nicht damit, sind unschuldig wie Kinder, die einfach die Wahrheit sagen. Da fällt mir Sophie Scholl ein, die auch nicht damit gerechnet hat, dass es ihr den Kopf kosten würde, wenn sie einfach nur mit Flugblättern die Wahrheit unter’s Volk bringen würde.

Die USA ist ein Imperium der Lüge und Schande, die Sprechchöre an diesem Dienstag und Mittwoch Ende Februar 2024 – „US, UK – shame on you“ – erschallten völlig zu recht.

Vor Ort war die Stimmung sehr gut. Wir wussten über Social Media, dass aus aller Welt Menschen nach London anreisen würden, aber auch noch viel mehr Menschen an vielen Orten der Welt Mahnwachen, Kundgebungen, Demonstrationen gleichzeitig abhielten. Als Staatsbürger eines Landes hat man das Recht und die Möglichkeit, von den eigenen Politiker zu fordern, über diplomatische Kanäle oder Androhung von Sanktionen Solidarität mit politisch Verfolgten auszudrücken. Passiert ja bei Nawalny oder Ai Wei Wei oder Nelson Mandela auch.

Mein Lieblingszitat im Fall Assange ist von Edward Snowden, dem anderen großen Whistleblower unserer Tage:

„Wenn das Aufdecken von Verbrechen zum Verbrechen erklärt wird, werden wir von Verbrechern regiert.“

Edward Snowden

Das hatten wir auf unserem „Aktionsmaterial“, unseren Mitbringseln für London stehen, auf dem Schirm und auf Anhängern, die wir restlos an Menschen verteilt haben, die sich auch nach außen hin solidarisch mit Julian Assange erkenntlich zeigen wollten.

In meinen Träumen schreie ich immer noch „FREE ASSANGE NOW“ – was würden wir alle ohne Julian Assange machen?

Antje von Free Assange Cottbus

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